MobB e.V.

Menschen ohne bezahlte Beschäftigung - Hilfe & Selbsthilfe e.V.

Jena, ein heller Punkt in meinem Lebenslauf

Ein heller Punkt in meinem Lebenslauf

Neue Texte der schreibenden Arbeitslosen
2008
Glaux Verlag Christine Jäger KG
ISBN: 978-3-940265-19-7

Leseprobe

Reinhard Doberenz

Die Elfen

Es war in wunderbarer Waldesnacht;
Die Welt, sie war gehüllt in Schweigen;
Nur in den Wipfeln, da rauschte es sacht;
Der Mondesglanz hing in den Zweigen.

Es war so still in der weiten Runde,
Und bei der goldenen Mondespracht
Da kamen aus tiefem Waldesgrunde
Elfen vorbei gehuscht in der Nacht.

Und sie kamen um die zwölfte Stunde
Im so zauberhaft schwebenden Gang;
Mit Feen da standen sie im Bunde;
Eine schöne Elfe leise sang.

In dieser phantastischen Waldesnacht
Zum Elfenreigen sie sich fanden,
Und während die Wipfel rauschten so sacht,
Sie ganz heimlich wieder entschwanden.



Ulrich Friedmann

Eddie

Eddie schlug die Augen auf und schaute umher. Alles schien wie immer. Große grüne Stängel ragten neben ihm in den Himmel. Da, wo sie zu Ende waren, vergrößerte sich der Anteil an Blau. Es wurde warm. Die Wolken verzogen sich, als hätten sie darauf gewartet, dass Eddie aufwachte.
Er fing an, seine kleinen Beine in Bewegung zu setzen, steuerte auf einen breiten Grashalm zu und trippelte geschickt bis zur Spitze. Von hier oben sah die Welt schon ganz anders aus, sie war viel bunter. So blieb er auf der Halmspitze und genoss das Leben. Das Wort Zeit kannte er nicht. Er nahm nur wahr, dass es hell und dunkel wurde und die Wärme eine sehr große Rolle spielte.
Seine Ruhepause wurde durch ein Brummen gestört. Ein dicker haariger Körper flog um seinen Ruheplatz und verursachte dabei dieses Geräusch. Eddie kannte den Ruhestörer und wusste, dass er nicht in Gefahr war. Das Brummen war die morgendliche Begrüßung von Bruder Hummel. Von seinem Hochsitz schaute er nach unten und bemerkte ein reges Leben auf dem Erdboden. Zwischen den Grashalmen liefen Ameisen wie aufgefädelt hintereinander und ließen sich durch nichts und niemand stören. Viele andere Bekannte kamen an seinem Platz vorbei und grüßten ihn. Mit bunten schillernden Flügeln setzte sich Pfauenauge auf die Blüte links von ihm.
Diese Harmonie wurde plötzlich gestört. Zuerst vernahm er ein schrilles Tschirpen, und eine Amsel flog aufgeregt an ihm vorbei. In seine kleine, aber sehr feine Nase stieg ein Geruch, den er so nicht kannte und der ihn zur Vorsicht mahnte. Zwei Menschen liefen über die Wiese, waren vergnügt, lachten, schwatzten, blieben stehen, um sich zu umarmen und zu küssen. Sie glitten mit ihren Händen die Grashalme entlang, zupften Blumen heraus und steckten sie zu einem Strauß zusammen. Auch an "seinem" Grashalm kamen sie vorbei, und, als hätte er es geahnt, zupfte eine Hand diesen Halm ab und steckte ihn in den Mund. Eddie konnte gerade noch seine kleinen Flügel ausbreiten und wegfliegen. Diese beiden großen Gestalten waren stehen geblieben, schauten sich um und legten sich auf die Wiese. Sie achteten nicht darauf, wen sie störten.
Pfauenauge konnte ebenso davonfliegen, aber für Familie Ameise waren es Eindringlinge, die ihre gewohnten Wege unpassierbar machten. Die aufgefädelte Kette trennte sich. Ein Teil lief einen großen Bogen um das Hindernis. Der andere Teil war mutiger und krabbelte über ein behaartes Bein hinweg. Plötzlich knallte es, aber alle hatten Glück. Die Hand, die nach ihnen schlug, ging daneben.
"I, hier sind ja Ameisen!", sagte eine Stimme. Flink erhoben sich die beiden Menschen, strichen die Ameisen von ihren Körpern und verließen den Platz. Eddie schaute von seinem neuen Grashalm aus zu.
Die beiden Menschen liefen langsam von der Wiese an den Waldrand und setzten sich dort auf eine Bank. Da gehörten sie auch hin, dachte Eddie. Unerschrocken flog er auf die Bank zu und landete auf einem Handrücken. "Schau mal, ein Marienkäfer", lachten beide. Er wurde nicht nach ihm geschlagen, wie bei den Ameisen, ihm wurde ein Finger hingehalten. Mutig krabbelte er auf diesen und lief ihn entlang. An der Berührung der kleinen Käferbeine hatten die Menschen ihre Freude.

Moral: Besser schön als fleißig oder Keine Angst vor großen Menschen (Tieren)



Silvia Köster

Ein gelungener Tag

Mein Brot ist alle. Die letzte Scheibe habe ich gestern zum Abendbrot verdrückt. Im Gefrierschrank ist auch keins mehr. Ich muss dringend einkaufen gehen. Frühstücksbrötchen sind noch da. Für morgen auch. Aber was esse ich heute Abend?
Vielleicht hätte ich mir doch den Wecker stellen sollen, um gleich früh um 6.00 Uhr ins Kaufland zu gehen. Wenn es noch fast leer ist und Herr Maier noch nicht mit seinem Hund draußen rumläuft. Da fragte er mich doch letzte Woche, ob ich meinen Ein-Euro-Job noch habe! Dabei ist der schon über zwei Jahre abgelaufen. Wie doch die Zeit vergeht!
Wenn ich heute Mittag ins Kaufland gehe, spare ich mir das Kochen. Ich könnte unterwegs eine Bratwurst essen. Aber da ist die Gefahr groß, dass ich ehemalige Kollegen treffe, die gerade Mittag machen. Ich kann die Begrüßungsformel "Haste wieder Arbeit" einfach nicht mehr hören!
Jetzt werde ich erst einmal frühstücken. Oh Gott, ich müsste dringend abwaschen. Wenn ich mir heute Mittag etwas kochen will, habe ich dafür gar keinen Platz in der Küche.
Welche Musik höre ich zum Frühstück? Ah, ich weiß schon ... Ist das schön: Kaffee, frisch aufgebackene Brötchen, Musik, Beine hoch legen, mir geht es doch wirklich gut!
Mein Brot ist alle. Sollte ich jetzt einkaufen gehen? Und wenn ich wieder Frau Schmidt im Hausflur treffe? Sie hat mich neulich so komisch angesehen, als ich meinen Müll rausbrachte. Dabei hatte ich doch meine gute Strickjacke übergezogen und freundlich "Guten Morgen, Frau Schmidt!" gesagt. Warum musste sie auch unbedingt gerade dann ihre Zeitung holen, als ich zum Müllcontainer ging?
Es regnet. Ich könnte heute Abend meine letzten Frühstücksbrötchen essen und morgen früh ins Kaufland gehen. Aber wenn ich schon raus gehe, dann will ich auch am Briefkasten und am Geldautomaten vorbei. Und all das vor dem Frühstück? Und wenn es morgen früh auch regnet?
Ah, da ist ja noch eine Büchse Suppe! Da kann ich doch die eine Hälfte heute Mittag und den Rest zum Abendbrot essen. So bleiben mir die Frühstücksbrötchen für morgen! Ich muss heute gar nicht raus! Und wenn ich es dann noch schaffe, meinen Abwasch zu machen, während die Suppe warm wird, dann wird das heute ein richtig schöner erfolgreicher Tag!

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